Der Olivenbaum ist die heilige Pflanze schlechthin: Er wird seit der Antike in Mythen und Legenden zelebriert und ist Dreh- und Angelpunkt zahlreicher Traditionen sowie Gegenstand vieler Kunstwerke.

Der Olivenbaum in der Antike
Dem Mythos nach pflanzte Herakles der Daktylen auf einem Hügel, den Zeus Kronos geweiht hatte, einen Oleasterwald (Olea Oleaster: wilde Olivenbäume). Die ineinander verschlungenen Zweige dieser Bäume wurden dann zusammen mit dem Öl zum Preis für die Gewinner der Olympischen Spiele. Ein anderer Mythos besagt, dass Athene die Erste war, die die wilde Pflanze in eine Kulturpflanze verwandelte, die dadurch so heilig wurde, dass es verboten war, das Holz zu verbrennen oder zu beschädigen. Vergehen wurden mit dem Exil bestraft. In Athen existierte ein Baum, der als der erste Olivenbaum der Welt galt. Er war aus dem Speer von Athena selbst hervorgegangen und wurde daher von Wachen beschützt. Athena war die aus dem Schädel ihres Vaters geborene Göttin, Jungfrau, Vermittlerin und Weise, die den Weg zum spirituellen Leben wies. Folglich galt der Olivenbaum als Symbol des Ewigen, des Wohlstands und des Friedens.
Auch Homer zitierte den Olivenbaum als Symbol des Friedens und des Lebens. Der riesige Stamm mit dem Polyphem von Odysseus geblendet wurde, gehörte zu einem Olivenbaum. Odysseus selbst hatte sogar sein eigenes Hochzeitsbett in den Stamm eines imposanten Olivenbaums gefurcht, um eine starke und dauerhafte Verbindung zu begünstigen.
Außerdem will die Tradition, dass die Zwillinge Romulus und Remus unter einem Olivenbaum geboren wurden. Vielleicht verwendeten die Römer deshalb seine Zweige in einer typischen Neujahrszeremonie: Bei Sonnenaufgang der Kalenden im Januar nahmen zwei Kinder Olivenzweige und Salz und betraten die Häuser, um Glück, Gesundheit und alle gute Dinge zu wünschen. Schließlich war es im alten Ägypten üblich, wenn eine Frau heiratete, ihr Olivenzweige zu schenken, als Zeichen des Lebens, das sich entwickelt und erneuert.

In den Religionen
Im Alten Testament der christlichen Religion ist der Olivenbaum seit dem Buch Genesis präsent und wird als Symbol für Heil und Wohlstand gefeiert. Es genügt, an die biblische Episode zu erinnern, in der die Taube mit dem Olivenzweig als Zeichen eines Neuen Bundes mit den Menschen (und damit des Friedens und der Wiedergeburt) zu Noah zurückkehrt. Aber der Olivenbaum nahm diese Bedeutung auch in anderen Fällen an: Tatsächlich musste in der Vergangenheit eine Armee, die nach einer Schlacht Frieden wollte, einen Herold mit einem Krug voll Olivenöl zum Feind schicken. Als heilig gilt nicht nur der Olivenbaum, sondern auch seine Frucht und damit auch das in christlichen Liturgien verwendete Öl, das Chrisam. Die Symbolik des Olivenbaums findet sich auch im Neuen Testament: Jesus wird von der Menschenmenge, die Palmblätter und Ölzweige schwenkt, herzlich empfangen. Im Garten der Olivenbäume verbringt er dann die letzten Stunden vor der Passion. Der Gesalbte par excellence ist in der Tat der Messias, und im christlichen Palmenfest stellt der Olivenbaum Christus selbst dar, ein Instrument der Versöhnung und des Friedens für die Menschheit.
Aber auch im Koran wird ein geheimnisvoller Olivenbaum beschrieben: „ Gott ist das Licht des Himmels und der Erde. Sein Licht ist wie das einer Lampe […], die dank eines gesegneten Baums angezündet wird, eines Olivenbaums, der weder im Osten noch im Westen steht, dessen Öl leuchten würde, selbst wenn es kein Feuer berühren sollte.“ Muslime glauben, dass dieser Baum eine große Menge „Baraka“ oder Lebenskraft enthält. Der Olivenbaum ist die Achse der Welt, der Baum des Lebens, der Himmel, Erde und Unterwelt verbindet. Dafür regeneriert sein heiliges Öl den Geist, führt in die göttliche Sphäre und symbolisiert die Gegenwart des Herrn.

Der Olivenbaum in der Welt: auf Kreta
Auf Kreta pflanzen Braut und Bräutigam an ihrem Hochzeitstag einen Olivenbaum, da man glaubt, dass dieser zu einer starken und beständigen Liebe beiträgt, die viele Früchte tragen wird. Wenn die Eheleute sterben, binden die Kinder als Zeichen der Trauer ein weißes Tuch um den Stamm.

Der Olivenbaum in der Welt: in Japan
In Japan ist der Olivenbaum der Baum des Sieges und seine Zweige werden denen gegeben, die sich im zivilen Leben und/oder im Studium auszeichnen.